Mein Leben mit Alkohol bis zur ersten Entgiftung:

Eine Geschichte von Kampf und Erkenntnis


Einleitung


Alkoholismus ist eine ernsthafte und zerstörerische Krankheit, die oft unmerklich beginnt
und nach und nach das Leben dominiert. Für mich begann die Reise des Alkoholismus in
meinen Teenagerjahren und erstreckte sich über drei Jahrzehnte. Dieser Blogbeitrag soll einen ehrlichen Bericht über meinen Kampf mit der Alkoholsucht, die Auswirkungen auf mein Leben und den letztendlichen Weg zu meinem ersten Entgiftungprogramm geben.


Die Anfänge: Teenager-Experimente und erste Anzeichen


Mit 15 Jahren, wie viele Teenager, begann ich mit Alkohol und anderen Substanzen zu experimentieren. Anfangs war es eine Möglichkeit, dazuzugehören und Spaß mit
Freunden zu haben. Was als gelegentliches Trinken begann, entwickelte sich jedoch bald
zu einer regelmäßigen Gewohnheit. Ich merkte schon sehr früh, dass mein Trinkverhalten anders war. Seit meinem 17. Lebensjahr war Alkohol bereits ein wesentlicher Bestandteil
meines täglichen Lebens.


Der Kampf mit Bildung und Karriere


Meine Abhängigkeit von Alkohol beeinträchtigte meine Bildung erheblich. Es fiel mir immer
schwerer, mich zu konzentrieren und motiviert zu bleiben. Trotz meiner anfänglichen Begeisterung konnte ich weder die Schule abschließen, eine Berufsausbildung finden, noch den Sport auf hohem Niveau weitertreiben. Zu diesem Zeitpunkt steigerte sich die Sucht und der Konsum nicht mehr, da es schon zu viel, zu regelmäßig und sehr präsent
war. Mein Leben in den Griff zu bekommen hieß: Schnell einen kleinen Job finden, weiter
machen und den Bekanntenkreis nicht verlieren. Etwas gegen die Sucht zu tun war kein Gedanke.


Der Einstieg ins Berufsleben war damals eine willkommene Herausforderung, eine
Beschäftigung und Ablenkung, mit der Hoffnung alles würde gut werden. Es kamen die ersten Gelage mit den Arbeitskollegen und es dauerte nicht lange, da traf man sich zum Feierabend auf ein paar Drinks in der Kneipe, auf dem Parkplatz oder sonstwo. Ich war wieder drin in meinem vertrauten Kreis und lange Wochenenden wurden dann ähnlich mit Alkohol ausgeschmückt. Trotz der Chance und des Wahrnehmens der beruflichen Weiterbildung und des Aufstiegs, wuchsen Streß, Ängste und Unsicherheiten ins Unermessliche und nach fünf Jahren gab ich auf.


Es folgten Jahrzehnte mit dem Versuch irgendwo beruflich Fuß zu fassen, doch es wurde von mir nicht gesehen, dass ich vor allen Plänen mit der Suchtkrankheit hätte anfangen
müssen.


Die Auswirkungen auf das Privatleben und Beziehungen


Mein Privatleben war nicht weniger chaotisch. Innerhalb des erwähnten Fünf-Jahres-Jobs lernte ich meine damalige zukünftige Ehefrau kennen. Der Plan war klar: Halt, Bindung,
Verantwortung und Wurzeln ausprägen, dann wird alles gut! Wir heirateten und sie schenkte uns zwei wundervolle Söhne. Doch meine Alkoholkrankheit belastete die familiäre Situation enorm stark. Meine Ehe, die mit so vielen Versprechen begann, endete nach nur fünf Jahren in einer einvernehmlichen Scheidung. In dieser Zeit isolierte ich mich auch innerhalb der Familie von gemeinsamen Verwandten und Freunden. Wie erwähnt, wurde
ich arbeitslos, vernachlässigte meine familiären Pflichten und mein Drang, nicht über Probleme reden zu wollen, machte es meiner Partnerin unmöglich, mit mir zu leben. Das musste ich schmerzlich einsehen.

Das Scheitern meines Familienlebens trieb mich weiter in die Isolation und die Sucht verwurzelte sich immer mehr in einem sozialphobischen
Dauerzustand. Nur die Liebe zu meinen Kindern und zum Leben selbst hielt mich dabei über Wasser.


Soziale Isolation und gescheiterte Versuche der Normalität


Mit dem Fortschreiten meiner Sucht isolierte ich mich immer mehr. Ich versuchte Sport zu treiben, doch erschien oft schon zum Spiel alkoholisiert. Ich umgab mich mit einem pseudo-freundschaftlichen Kreis (die Trinkfreunde von früher), in dem übermäßiges Trinken die Norm war. Unsere Zusammenkünfte drehten sich nur um Alkohol, und jede gesellschaftliche Veranstaltung wurde zum Anlass genommen, exzessiv zu trinken.

Trotz der frühen Erkenntnis meines Problems waren die Versuche, den Konsum zu reduzieren, nur von kurzer Dauer. Phasen des reduzierten Konsums bedeuteten, dass ich
täglich mindestens 1-2 Biere trank, aber meistens fand ich mich dabei, eine Flasche Wein oder mehr zu konsumieren. Die gesellschaftliche Akzeptanz dieses Trinkniveaus verdeckte die Schwere meiner Sucht.


Versuche, durch Sport gesund zu bleiben


Ironischerweise versuchte ich, durch Sport eine Art Normalität und Gesundheit zu bewahren. Ich ging joggen oder ins Fitnessstudio, in dem Glauben, dass körperliche Aktivität den Schaden durch meinen Alkoholkonsum ausgleichen könnte. Diese versuchte Suchtbewältigung war jedoch vergeblich, da der Alkohol weiterhin meinen Körper und Geist schädigte und jegliche positive Lebensentwicklung blockierte.


Die Realität der Sucht: Physische und emotionale Kämpfe


Das Leben mit dieser Art der Krankheit (Typ Delta: Spiegeltrinker) bedeutete ständige physische und emotionale Kämpfe. Zittern, Schwitzen und Angstzustände bei sinkendem Alkoholspiegel waren Bestandteil des Alltags. Gesellschaftliche Anlässe, einfache Treffen und das normale Einkaufen wurden zu täglichen Herausforderungen. Die Angst, als
Alkoholiker erkannt zu werden, führte zu enormer Scham und Unsicherheit. Oft fand ich mich in Situationen, in denen Nüchternheit entscheidend war und ich kämpfte verkrampft darum, die Auswirkungen meiner Sucht zu verbergen.


Alkohol als Priorität


In meinem Leben hatte der Alkohol die Priorität übernommen. Meine Tage so zu planen, dass ich genug Alkohol zur Verfügung hatte, war ebenso wichtig, wenn nicht sogar
wichtiger, als die grundlegendsten Notwendigkeiten. Alkohol zu bevorraten war Teil meiner Routine, genauso wie der Einkauf von Lebensmitteln. Leider war das Bevorraten kaum möglich, da alle zur Verfügung stehenden Vorräte im Kontrollverlust sofort verbraucht
wurden. Am nächsten Morgen stand ich dann entzügig, von Schweiß gebadet und zitternd mit einem 5 Liter Rotweinkanister an der Kasse, um meinen Spiegel wieder aufzufüllen und mir flog durch das Zittern, aus Unsicherheit und Scham, das Kleingeld um die Ohren und verschwand zwischen den Rollen der Kassenablage. In diesen Momenten fühlte ich mich nackt und als Alkoholiker ertappt. Es ist kaum zu glauben, aber nicht einmal zu
diesem Zeitpunkt kam mir der Gedanke, Hilfe zu suchen. Es war mir unmöglich, ich war gefangen und schien es zu akzeptieren.

Typ Delta: Spiegeltrinker


Eine der schädlichsten Formen des Alkoholismus ist der Typ Delta, auch bekannt als Spiegeltrinker. Diese Art des Trinkens bedeutet, dass der Betroffene den Alkoholspiegel im
Blut weitestgehend konstant hält, um Entzugserscheinungen zu vermeiden. Ich fand mich in diesem Muster gefangen, trank ständig Alkohol, um den Tag zu überstehen und
funktional zu bleiben, bis hin zur immer wiederkehrenden Besinnungslosigkeit. Diese konstante Zufuhr von Alkohol machte es unmöglich, einen klaren Kopf zu bewahren und Entscheidungen zu treffen, die für mein Wohl notwendig gewesen wären. So ging es über
mehrere Jahre weiter und steigerte sich bis hin zu meiner ersten Entgiftung (2011).


Der Wendepunkt: Ein lebensveränderndes Ereignis


Ein bedeutender Wendepunkt in meinem Leben war ein verheerender persönlicher Verlust. Der überwältigende Kummer trieb mich dazu, noch mehr zu trinken, da ich
glaubte, dass Alkohol der einzige Weg sei, den Schmerz zu betäuben. Mein Konsum stieg auf drei Flaschen Wein oder mehr pro Tag und es gesellte sich auch härterer Stoff dazu.
Die damalige Lebensgefährtin distanzierte sich von mir und die Grenze zwischen Tag und Nacht verschwamm, während ich mich in die Bewusstlosigkeit trank. Nach einem betäubten, einsamen Weihnachtsfest, den Rauhnächten und einem denkwürdigen
Jahreswechsel, meldete sich eine Freundin und hörte meinen von Tränen getragenen Hilferuf.


Erkenntnis und erste Schritte zur Genesung


Der Wendepunkt kam, als ich die verheerenden Folgen meiner Sucht nicht länger ignorieren konnte. Meine Gesundheit verschlechterte sich rapide, und ich erkannte, dass
dieser Weg zu meinem Tod führen würde, wenn ich ihn weiterging. Die Angst, mein Leben zu verlieren, brachte mich schließlich dazu, Hilfe zu suchen und auch anzunehmen.
Im Februar 2011 meldete ich mich zum ersten Mal zu einem stationären
Entgiftungsprogramm in einer Klinik an. Es war ein beängstigender Schritt, aber ich wusste, dass er notwendig war, um mein Leben zurückzugewinnen.

Ich hatte extremeAngst, etwas Vertrautes zu verlieren, doch ich konnte dabei nur gewinnen. Die Entgiftung war nicht nur ein Prozess, meinen Körper vom Alkohol zu befreien, sondern auch, mich den tief verwurzelten Problemen zu stellen, die meine Sucht so lange angeheizt hatten.

Es war das erste mal in meinem Leben, dass ich diese Art von vorurteilsfreier Hilfe und Verständnis, in Bezug auf meine Suchtkrankheit, erfahren habe.
Sich den Problemen oder Gründen der Suchterkrankung zu stellen hieß nicht, dass sie auf einmal weg gewesen wären. Es dauerte sehr lange bis ein Thema nach dem anderen auf
den Tisch kam und diesmal nüchtern betrachtet werden konnte.


Fazit: Eine Reise der Hoffnung und Erlösung


Meine Reise durch den Alkoholismus bis zur ersten Entgiftung war lang und mühsam. Sie war geprägt von zahlreichen Misserfolgen, Herzschmerz und verpassten Gelegenheiten. Doch sie markierte auch den Beginn eines Weges zur Genesung und Selbsterkenntnis.
Ich sehe es als ein großes Geschenk und ich hatte riesiges Glück, dass ich trotz dieser Art der Sucht und den Mengen an Alkohol die ich konsumiert habe, noch keine bleibenden Schäden oder größere Einschränkungen an mir beobachte. Wobei es sicherlich Einschränkungen gerade im sozialen Bereich gibt, mit denen ich ohne Alkohol einfach
besser umgehen kann. Auch das gehört mit zur Selbsterkenntnis und fördert meine psychische Gesundheit.

Vieles ist ein Teil meines Karakters, den ich Jahrzehnte lang mit Alkohol betäubt habe.


Daraus gelernt habe ich:
„Liebe und akzeptiere dich so wie du bist und schätze die Zeit, die dir geschenkt wurde!“


Meine Geschichte zu teilen, ist nicht nur eine Reflexion über meine Vergangenheit, sondern auch eine Botschaft der Hoffnung für andere, die mit der Sucht kämpfen.
Genesung ist möglich, und jeder Schritt, egal wie klein, ist ein Schritt in Richtung eines gesünderen, authentischeren Lebens.


Abschließende Gedanken


Wenn du oder jemand, den du kennst, gegen die Alkoholkrankheit kämpft, wisse, dass du nicht allein bist. Der Weg zur Genesung ist herausfordernd, aber jede Anstrengung wert.


Suche Hilfe, bleib stark und glaube an die Möglichkeit eines besseren Morgen.


Dieser Blog wird weiterhin meine Reise dokumentieren, Einblicke teilen und Genesungsressourcen bereitstellen, die anderen auf ihrem Weg zur Nüchternheit helfen
können.

Vielen Dank fürs Lesen und für die Unterstützung meiner Mission, Bewusstsein zu schaffen und Hoffnung zu bieten.


Weitere Inhalte


Vertiefende Einsichten in z.B.

„Wie verlief der Entzug?“,

„Musik, Kunst & Kreativität als Selbsthilfe“ oder

„Die Magie von Gruppentreffen“,

findet ihr in meinen weiteren Blogbeiträgen, auf den verlinkten Webseiten, auf meinen Social Media Seiten oder in musikalischer Form
bei Youtube.

Alles Gute

Oliver St. Betsch

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